9. September 2005
Pensionszimmer der Bar „O Escalinata“ in Sarria, 20:30 Uhr.

Heute gab es einen unerwarteten Rückschlag in der bereits abgeschlossenen Etappenplanung. Bei bestem Wetter und nach ordentlichem Frühstück in Triacastela ging es mit dem Aufgang der Sonne über dem Gebirge los und nach Samos und Sarria. Samos war sehr schön anzusehen und der Weg verläuft wahrlich malerisch (endlich wieder mal viel Grün), ganz so, wie es im Buch beschrieben wird. 

Leider zog es zwischen Samos und Sarria völlig zu und kurz nach Sarria begann Niesel, bald regelrechter Regen. Der Himmel bot keine Aussicht auf Besserung, wir kehrten nach Sarria zurück (vor 12:00 Uhr) und gaben dem Wetter noch eine Stunde. Das reichte aber nicht - aufgezogen ist es erst seit 16:30 Uhr und gerade eben beim Zähneputzen hat es nochmals geregnet. Im Grunde war dieses Wetter im TV auch angekündigt, aber Fahren war mit unserer bescheidenen Regenkleidung nicht drin! Wir können nur hoffen, dass morgen geht, sonst geraten wir noch in echte Bedrängnis mit den Plänen für A Coruna und Finis Terra. Die Zeitung kündigt weiteres wechselhaftes Wetter für den 10. September an. Auch ein Rundgang hier im Ort wurde durch ständige, teils kräftige Schauer gestört. Im Fahrradladen gab es Trikots („ropa de bici“), aber keine von KAS. 

Burger und hausgemachte Pommes in einer kleinen Bar zu Mittag als einzige Kunden weit und breit haben dann auch das Abendessen entbehrlich gemacht: Noch eine halbe Flasche Milchdrink (Dan’Up ist gar kein Jogurtdrink!) unter ein süßes Teilchen aus dem Vorrat für jeden und jetzt gleich ins Bett mit einem frühen Wecker. Es sind noch 140 Kilometer bis Santiago, also selbst bei normalem Wetter viel für nur zwei Etappen geschweige was ist, wenn es regnerisch bleiben sollte. Die Pilgerzahl und die Ausrichtung der Ort daran hat erneut zugenommen - hier wurde ich heute sogar einmal angesprochen („Albergue?“) wie in billigen Touristenorten vor Restaurants häufig anzutreffen. 

Außerdem haben wir erste „Pilgerbetrüger“ ausgemacht („Morgen fahre ich mit dem Bus, ich habe nicht so viel Zeit“) - mithin all die menschlichen Unzulänglichkeiten und Absurditäten, auf die bislang so gern verzichtet haben. Unausgegorenes Pilgern (warum überhaupt, wenn man keine Zeit hat) gehört ebenso dazu, wie übertriebenes: Gestern war einer 92 Tage seit Deutschland unterwegs und der suchte so verzweifelt Anschluss (insbesondere weiblichen: Er hing so widerwärtig an drei Polinnen dran, dass man kotzen mochte). Normale Menschen sind hier dünn gesät. Irgendwie klar, bei der Grund-Ausrichtung dieser Reise, aber auch wieder ein bezeichnendes Licht auf das Problem der Kirchen in Mitteleuropa; seit ich denken kann ziehen die nur noch Freaks an und stoßen zugleich andere ab.

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